Räume leisten einen bedeutsamen Beitrag für eine inklusive Gesellschaft!
Inspiriert durch die Buchlesung „HerzAuge“ bei uns im THIIIRD PLACE und den persönlichen Austausch mit der Autorin Lina Maria Pietras haben wir uns bei CMMaurer intensiv mit dem Thema Inklusion & Raum auseinandergesetzt. Aber worüber reden wir überhaupt, wenn wir von Inklusion sprechen? Das sperrige Wort ist gefühlt omnipräsent – aber haben wir alle ein gemeinsames Verständnis? Eine ansprechende Definition für Inklusion gibt uns Lina:
„Inklusion schafft es, den Wunsch nach Zugehörigkeit mit dem Streben nach Autonomie zu verbinden. Inklusion ist Grundrecht aller Menschen.“ (Lina Maria Pietras)
Die Autorin hat durch ihre Seheinschränkung unterschiedliche Strategien im Umgang mit Ihrer Einschränkung ausprobiert und dabei Perspektivwechsel für sich und andere initiiert. Für sie ist der Gerechtigkeitsgedanke von Inklusion zentral:
„Gerechtigkeit entsteht dann, wenn wir uns zusammensetzen und gemeinsam Ziele und Wege definieren, mit denen alle zufrieden sind. Um das zu schaffen sind Grenzen notwendig. Barrierefreiheit macht z.B. nur dort Sinn, wo Menschen diese auch brauchen. Das können wir zwar ahnen, aber nie wissen, wenn wir nicht miteinander sprechen. Nur wenn wir über Grenzen kommunizieren, können wir echte Nähe herstellen – bei Inklusion geht es um Dialog.“ (Lina Maria Pietras)
Was bedeutet das für inklusive (Raum-) Gestaltung?
- Nicht in Kategorien denken, z.B. für Seheingeschränkte braucht es dieses, für Mobilitätseingeschränkte jenes… DENN wo fängt die Einschränkung an? Die Wahrnehmung einer Einschränkung ist so vielfältig und individuell, dass es keine Standards gibt. Gerade in Planungsprozessen erscheint es sinnvoll und machbar, auf den Dialog und Austausch zu setzen, um wirklich inklusive Lösungen zu finden und nicht über das Ziel hinaus zu schießen!
- Inklusion nicht als lästigen Mehraufwand oder nicht „gestaltbare“ Anforderungen sehen, sondern inklusive Ansätze in die initiale Gestaltungsidee aufnehmen. Das bedeutet, inklusive Gestaltung von der ersten Skizze mitdenken.
Räume erfahren und wahrnehmen
Die gemeinsame Basis für alle Nutzenden von Räumen (egal ob eingeschränkt oder nicht) sind wichtige Prinzipien, wie wir Räume erfahren und wahrnehmen:
- Ein wichtiges Element ist unsere Erfahrung. Man kann es auch als eine „Landkarte im Kopf“ bezeichnen. Hier werden Erfahrungssituationen mit der erlebten Wirklichkeit abgeglichen. So gelingt es uns, auch in fremder Umgebung den Weg zu finden z.B. zum Briefkasten, zum Rathaus oder zur Toilette.
- Ein weiteres Element ist unsere situative Merkfähigkeit. Das Zusammenspiel aller Sinnesorgane (sehen, hören, riechen, fühlen, schmecken) kodiert Räume, Plätze und Situationen. Dies löst Gefühle aus: fühle ich mich z.B. sicher, orientiert oder bedroht? Diese Wahrnehmung haben alle Menschen – mehr oder weniger und natürlich abhängig von Prägungen und Fähigkeiten bzw. Einschränkungen.
- Wir können uns als Gestaltende darauf verlassen, dass jeder Gestaltung wahrnimmt – bewusst oder unbewusst. Unser Anteil, einen inklusiveren Lebensraum zu schaffen, ist nicht von der Hand zu weisen. Mit unserer Ausbildung haben wir auch dafür Verantwortung übernommen!
Inklusive Gestaltung in der praktischen Umsetzung
Es geht nicht darum jeden Bedarf zu 100% abzudecken, um Autonomie für jeden zu erreichen, sondern im Sinne der Definition von Inklusion Zugehörigkeit und Autonomie in Einklang zu bringen. Zugehörigkeit wird insbesondere auch durch Kommunikation erreicht, durch gegenseitige Aufmerksamkeit, Wertschätzung und, wenn gewollt, auch Unterstützung. Folgende konkrete Gestaltungselemente und -prinzipien bieten aber Orientierung und praktische Unterstützung für eine inklusive (Raum-) Gestaltung:
- Klare, intuitive Wegeführung, Raumabfolgen und wiederkehrendeStrukturen sorgen für Übersicht und damit für ein sicheres Gefühl und gute Orientierung.
- Merkpunkte schaffen: Diese sorgen zusätzlich zu klaren,wiederkehrenden Strukturen für Orientierung und Unterscheidbarkeit.
- Gestaltung mit Kontrasten schafft eine hohe Merkfähigkeit, inkludiert Menschen mit Seheinschränkungen und ist in den meisten Fällen kraftvoll und eindeutig
- „Weg mit dem „Chi-Chi“ (Lina Maria Pietras), denn Übergestaltung ist oft der Gegensatz von Inklusion. Vielmehr führt sie zu Reizüberflutung, Desorientierung und Überforderung
- Beschilderung eindeutig und groß gestalten z.B. Sanitäranlagen wollen eindeutig erkannt werden
- Bei der Gestaltung von Orientierungselementen möglichst das „Zwei-Sinne-Prinzip“ anwenden, d.h. mindestens 2 Sinnesorgane ansprechen (z.B. Sehen und Tastsinn). So finden sich auch Menschen zurecht, die ggf. ein Sinnesorgan weniger ausgeprägt haben.
Unser Fazit
Es bedarf einer Gestaltung, die vom Ansatz her inklusiv ist, also nicht mit Einzelmaßnahmen auf irgendwelche Anforderungen eingeht, sondern in der Basis alle Anlagen und Grundannahmen für eine inklusive Gestaltung aufnimmt.
Das bedeutet möglicherweise, dass sehr reduzierte, nur ein Sinnesorgan ansprechende Gestaltungen wenig zukunftsweisend sein werden. Dennoch glauben wir an die Kreativität und Gestaltungskraft von DesignerInnen und (Innen-) ArchitektInnen eine große und ansprechende Vielfalt zu entwickeln, die die Bedarfe für eine inklusive Gestaltung leicht und vor allem selbstverständlich umsetzen können.
Inklusive Gestaltung im THIIIRD PLACE
Lina’s Feedback zu unseren eigenen Räumlichkeiten hat uns besonders gefreut! – sie hat nämlich attestiert, dass der THIIIRD PLACE bereits ganz viel der genannten Prinzipien umsetzt und sie sich deshalb bei uns sehr wohl gefühlt hat, sofort orientieren konnte und die positive Raumatmosphäre wahrnehmen konnte… mit allen Sinnen 😊.